Geistphilosophisches Privatissimum
Hans Imhoff
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Imhoff 1967/68  



Aufsätze aus den Jahren 1967/68
Gesammelt erschienen im Euphorion Verlag 1972

Desperado

Für P. G. Hübsch

Ob philosophische Begriffe dazu taugen, Subjekt und Realität in ein transparenteres Verhältnis zueinander zu setzen, darüber entscheidet nach alter Auffassung, ob die Vermittlung zwischen subjektivem Interesse und dem der Objektivität je geleistet und ihre Identität mit dem Ernst, den Erfahrung verleiht, gefaßt wird.

Es gibt auch jetzt eine Gestalt, die für sich in Anspruch nehmen kann, jene Vermittlung auf der Integrationsstufe zu vollziehen, die die Realität an das (ihr) Bewußtsein fordert. Das ist der Desperado.

Der moderne Desperado findet seine Erfahrung von der Realität durch die Konzentration auf seine innerste Subjektivität, die illusionslose Kenntnis seiner Rolle als soziales Wesen.

Der hohe Grad von Bewußtsein seiner Integration in die Totalität läßt den Desperado sein Wissen von der Totalität in der Form seines somatischen Interesses erfahren; er ist asozial darin, daß er die Interessen der Objektivität an seinen somatischen Interessen mißt, die aber - auf seiner Stufe von Integration - keine anderen als jene objektiven sind: der moderne Oesperado tut - in der Tat oder dem Gestus nach - ohne Todesfurcht, was von jedem sozialen Wesen der Totalität, der es angehört, gefordert wird.

Aber eben seine Energie - der Wert, den er darauf legt, daß es sein politisches Interesse sei, ohne welches nicht geschieht, was geschieht , ist erst die Wirklichkeit der Wirklichkeit.

Der Desperado erfährt die Identität nicht als Schicksal; darin erweist er sich als Gestalt auf höherer Stufe von Integration, d.h. von Wirklichkeit. Seine Verzweiflung aber besteht darin, daß durch das Fehlen seiner Energie, die von seinem privaten Entschluß abhängt, dem Weltlauf kein Eintrag geschieht.

In der Verzweiflung, zu wollen, was geschieht, in der Tat aber etwas anderes zu tun, indem er sich dem Schicksal, das besiegt werden sollte, im Rausch vereinigt - in der Verzweiflung, das Schicksal hetzen zu wollen, aber mit Riten sich wieder versöhnen zu müssen, sieht sich der Desperado seinerseits in der Totalität integriert: dem Zusammenhang der Vergeblichkeit.

Diesem Kreis, den der Desperado zu überrunden ansetzte, gilt es sich zu entziehen.

Der Integrationsgrad, den die Realität erreicht hat, ist zu überschreiten; und er ist überschritten, indem er erreicht ist.

Es kommt darauf an, daß die Integrationsstufe der - wesentlich als POLITIKUM aufgefaßten - Realität durch die im somatischen Interesse reflektierte Subjektivität PRODUZIERT wird unter absolutem Verzicht auf Durchbrechung des Schicksalszusammenhangs.

NUR IN SEINER PRODUKTION IST DAS SCHICKSAL DURCHBROCHEN.
Der moderne Desperado kann als die letzte mögliche Gestalt des Bewußtseins angesehen werden, des Schicksals anders als in der Produktion seiner politischen und ökonomischen: geschichtlichen Realität Herr zu werden; ist aber damit zugleich die erste Form WIRKLICHEN BEWUSSTSEINS.