Geistphilosophisches Privatissimum
Hans Imhoff
Hans Imhoff
Asozialistik
Dissertation
Abyssos
Logik des Plans
Republik. Blüte
Poiesis
Krönung
Herabstieg
Echo
Geliebte Goethes

Kap. 1
Kap. 2
Kap. 3
Kap. 4
Kap. 5
Kap. 6
Kap. 7
Kap. 8
Kap. 9
Kap. 10
Kap. 11
Kap. 12
Kap. 13
Kap. 14
Kap. 15
Kap. 16
Kap. 17
Kap. 18
Kap. 19
Kap. 20
Kap. 21
Kap. 22

POIESIS
Verfassungsfragen

 

11

Sechzig Millionen deutsche Sklaven für die Atlantikanrainer, und zwanzig Millionen deutsche Sklaven für die Moskowiter, bei garantierter Vorzugsbehandlung, Selbstverwaltung eingeschlossen: Die Wunschvorstellungen der Menschen sollten nicht unerwähnt bleiben, auch sie sind Wirklichkeit. »Ziel der Mühen sind für den richtigen Mann die Mühen selbst«, sagte nach dem Bericht des Arrian Alexander zu seinen am Indus meuternden Soldaten (es hatte geregnet). In Trier steht zur Feier seines zweitausendjährigen Bestehens an eine Wand gesprüht: »Römer, Franzosen, Amis - 2000 Jahre Besetzung, jetzt langt's.« Die Kombination von Kapitalismus und Neutralität ist das, was die Deutschen retten wird, wenn es zum Äußersten kommt. Neben anderen wesentlichen Gründen, weshalb wir in den Vereinigten Staaten wie auch gleichermaßen in der Sowjetunion, speziell Sibirien, viel stärker Fuß fassen müssen als bisher, ist der der Rettung im Kriegsfall ein weiterer entscheidender. Die Gottesbeweise, so richtig sie sind, haben den Nachteil, daß sie, vom Beiwerk abgesehen, nicht über die Aussage hinauszukommen pflegen: Wenn Gott existiere, sei seine Existenz beweisbar. Das ist deshalb nicht besonders wertvoll, weil es nichts anderes heißt, als daß es nicht sinnvoll ist, eine nicht richtige Voraussetzung zu machen. Unser Interesse hingegen zielt doch darauf zu wissen, wie man es anstellt, richtige Voraussetzungen zu machen. Die Ursache von allem, oder auch die gedachte notwendige Bedingung der Möglichkeit von allem ist Gott genannt worden. Solche Bestimmung ist mangelhaft. Man sollte es nicht glauben, aber das Erscheinen Gottes ist seit alters auch als Frieden bezeichnet worden. Die Heiligen, insofern christliche Propheten, scheinen diesen Frieden, anders als die jüdischen, die seinen Mangel anzeigen, vorwegnehmen zu wollen; ihr Leben ist das der befriedeten Natur im Detail. Im Vertrauen auf die prinzipiell entsühnte Welt beginnen sie, auf nichts als auf den Glauben bauend, ein Liebeswerk, welches auf seine erfolgreiche Verallgemeinerung abzielt. Es gibt heute nicht wenige, welche es durchaus für möglich halten, mit der christlichen Liebe, mit Glaube und Hoffnung in nicht allzu ferner Zukunft auch den gegenwärtigen Unfrieden der Welt, dessen die sozialen Kämpfe nur ein episodischer Teil sind, zu beheben. Als undenkbar darf auch nicht gelten, daß die christliche und die kommunistische Sphäre das Friedenswerk nicht wie bisher als Antipoden, sondern in einem gemeinsamen Interesse in Angriff nehmen, vielleicht nicht um den Frieden, sondern um sich zu retten. Der ewige Frieden wäre zwar nicht das ewige Leben, aber doch sein Spiegelbild, und an diesem möglicherweise jenes abzulesen. Um den Erfolg sicherer eintreten zu lassen, wäre zu projizieren, daß die größten christlichen Kunstnationen Deutschland, Italien und Frankreich mindestens, ihren Einfluß auf die Zentren der atlantischen und der sibirischen Macht verstärkten. Die Oppositionsbewegung der Jugend in der zweiten Hälfte der 60er Jahre unseres Jahrhunderts, welche durch ihre Hauptorganisation, den Sozialistischen Deutschen Studentenbund, später, wie man sagte, nach Absprache mit der westdeutschen Regierung in die Deutsche Kommunistische Partei einmündete, war großen Entwürfen keineswegs verschlossen; allerdings dergleichen auch nicht hold. Es wäre gleichwohl schade, übersähe man, daß sie niemals derart weltumfassend hätte sein können, wenn sie nicht menschheitsallgemein in höherer Potenz gewesen wäre. Sie hat nicht nur Impulse von der kommunistischen Weltbewegung, Antriebe von der chinesischen Kulturrevolution, dem kubanischen und vietnamesischen Freiheitskampf empfangen, sondern entscheidend dem liberalen Bürgertum, dem sie selbst entsprang, eine Qualität verliehen, die dieses dem Marxismus ideologisch kommensurabler zu machen vermochte, indem sie in weltbürgerlicher Hinsicht über beide hinauszuwachsen eine embryonale Bewegung tat. Wie die Einsiedler des frühen Mittelalters, ein Hieronymos oder Paulus, so bildeten die Aufführungen ihrer herausragenden Intelligenzen, allen voran Imhoffs, ephemere Heiligtümer, in welchen die Generation für künftiges Weltbürgertum durch Akte der Selbsterkenntnis, den großen alten Schulen ähnlich, geweiht wurde. Der Tatsache, daß es sich um die Neukonstituierung eines äußeren wie eines inneren Reiches handele; daß gesellschaftliche Konstitution, und der ganze Himmel der Substanz mit der Mutation einer universal bemerkenswerten oder gar einmaligen biologischen Gattung in dem kosmischen Augenblick eines geschichtlich durch und durch luciden Selbstbewußtseins koinzidierte, stand freilich nur Hans Imhoff als Begriff vor Augen, einem Menschen, dessen Dasein auf den Grund zu kommen leider ganz unmöglich ist. Seine Weisheit, die darin besteht, die Wirklichkeit zu verdoppeln, an die Stelle einer Wirklichkeit sie selbst als in ihrer nächsten Form zu setzen, ist im Inneren nichts anderes als die Verwirklichung seiner, also dessen, sich, seinen geographischen Ort und das irdische Reich seiner Väter ineins und damit absolut zu setzen. »Zur Gänze ist alles geronnen Als einem nächstgelegnen Bilde.«